Seit 2000 Jahren prägt der Weinanbau Landschaft und Architektur an der Weinstraße Niederösterreich. Manches fällt sofort ins Auge, wie die kunstvoll angelegten Weinterrassen in den steilen Lagen der Wachau oder eng mit der Weingeschichte verbundene Prachtbauten wie Stift Göttweig.
Andere architektonische Schätze verbergen sich oft hinter alten Toren: der idyllische Arkadenhof eines Weinguts oder der Einstieg in ein unterirdisches Labyrinth sorgfältig gemauerter Kellergewölbe. Und jede Wein-, Wander- oder Fahrradtour kann zur Entdeckungsreise zu herausragenden Beispielen moderner Weinarchitektur werden, denn die Weinstraße Niederösterreich ist eine Impulsgeberin europäischer Weinarchitektur.
„Dörfer ohne Rauchfang“ werden die 1.100 malerischen Kellergassen in Niederösterreich liebevoll genannt. In manchen stehen nur einige Presshäuser, andere sind fast so groß wie ein ganzes Dorf, wie die 1,6 Kilometer lange Kellergasse von Hadres im Pulkautal. Die ältesten Jahreszahlen reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück, seit den 1950er Jahren wurden die Kellergassen im Zuge der Modernisierungen immer weniger als Produktions- und Lagerstätten genutzt.
Dafür sind sie als Treffpunkte für Genuss und Geselligkeit umso beliebter, denn wo könnte ein Achterl Grüner Veltliner an einem heißen Sommertag besser schmecken, als in einem kühlen Kellergewölbe? Auch für Weinverkostungen oder traditionelle Feste wie Weintaufe und Erntedank bieten sie den stimmungsvollen Rahmen zum Verkosten, Fachsimpeln und Feiern.
Schon seit dem Jahr 1141 wird im Freigut Thallern in Gumpoldskirchen durchgehend Wein angebaut. Das Stiftsweingut des Zisterzienserklosters Heiligenkreuz, angelegt nach dem Vorbild des Weingutes des französischen Mutterklosters, wird heute von Familie Polz geführt, die das historische Architektur-Ensemble mit Kleinoden wie der Johannes-Kapelle oder dem Jahrhunderte alten Fasskeller renovierte und revitalisierte.
Heute beherbergen die alten Mauern auch die Gebietsvinothek, die mit modernen Elementen in das alte Weinlager eingebaut wurde. Hier werden die besten Weine aus der Thermenregion präsentiert.
Das Weingut Holzapfel in Joching wurde vor 700 Jahren als Weinlesehof des St. Pöltner Chorherrenstiftes erbaut. Für die Umgestaltung des Hofes im Jahr 1696 wurde kein Geringerer als Jakob Prandtauer, einer der bedeutendsten Barockbaumeister Österreichs und Schöpfer von Stift Melk, ausgewählt.
Er verwandelte den Hof in ein barockes Juwel mit zweigeschossigem Arkadenhof und angegliederter Kapelle. 1968, als Familie Holzapfel den Prandtauerhof kaufte, war der Hof beinahe schon dem Verfall preisgegeben. Nach behutsamer Revitalisierung ist er wieder ein Schmuckstück, in dem auch ausgezeichnete Gastronomie und stylische Gästezimmer Platz finden.
Wie eine moderne Skulptur ragt die Loisium WeinWelt, entworfen von Star-Architekt Steven Holl aus den Weingärten von Langenlois. Das kubische Gebäude ist mit einem bis zu 900 Jahre alten Kellerlabyrinth verbunden, das den Besuchern in 18 künstlerisch und spielerisch gestalteten Stationen erklärt, wie die Traube zum Wein wird. Zu dem Komplex gehören auch ein aufsehenerregendes Design-Hotel und Spa, Spitzengastronomie sowie eine Vinothek & Sektothek.
Eine ordentliche Portion Mut bewies der Winzer Fred Loimer, als er mit seinem futuristisch-minimalistischen „Schwarzbau“ im Jahr 2000 die Kellergasse von Langenlois aufmischte. Heute gilt der schwarze, kantige Kubus des Architekten Andreas Burghardt als Musterbeispiel zeitgemäßer Weinarchitektur und wurde 2002 mit dem Bauherrenpreis ausgezeichnet. Ein Vorreiter ist Fred Loimer auch, wenn es um naturnahen Weinbau geht.
In Roseldorf im Weinviertel ist das Bioweingut Weber beheimatet, wo die Winzerfamilie Weber die Weingärten bereits seit dem Jahr 2000 nach strengen biologischen Richtlinien bewirtschaftet. Ein Geheimtip für alle, die einmal ganz naturnah urlauben wollen, sind die zwei Gästezimmer des Weingutes.
Erbaut aus Naturmaterialien bestechen sie durch ihr klares, minimalistisches Design. Ihr größter Luxus ist aber der unmittelbare Kontakt zur Natur auf der großen Sonnenterrasse mit Blick auf die Rieden.
Moderne Wein- und Wohnkultur präsentiert das Weindomizil Hagn in Mailberg im Weinviertel. Im Mai 2018 wurde inmitten der Weinberge die neue Weingalerie eröffnet, die Weingenuss und Kunsterlebnis miteinander verbindet. In einem großflächigen Kunstwerk erzählt der Graffiti-Künstler Akira Sakurai die dreihundertjährige Geschichte des Weingutes Hagn.
Für ihren Neubau der Produktions- und Verkostungsräume hatte die Winzerfamilie Högl aus Spitz an der Donau konkrete Vorstellungen: Er sollte sich in die Kulturlandschaft der Wachau einfügen und zugleich eigenständig sein. Lokalen Materialien war der Vorzug zu geben, Zweckmäßigkeit sollte mit zeitloser Ästhetik einhergehen.
Die Architekten Elmar Ludescher und Philip Lutz setzten die Vorgaben so perfekt um, dass das Gebäude mit dem Staatspreis für Architektur 2016 ausgezeichnet wurde. „Ein eindrucksvolles Beispiel für neues Bauen in alter Kulturlandschaft und für die Weitsicht der Bauherren, nicht auf ortsübliche Klischees, sondern auf gute Architektur und damit auf langfristige Wertigkeit zu setzen“ heißt es in der Begründung der Jury.
Auch die Winzerfamilie Alzinger in Dürnstein stellte sich der Herausforderung in der Weltkulturerbe-Region Wachau neue architektonische Wege zu beschreiten. Der neue Wirtschaftstrakt samt Mitarbeiterunterkunft greift tradierte Bauformen der Umgebung auf, die zeitgemäß gestaltet wurden.
Wesentliche Aspekte des Neubaus waren auch ökologische Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Ressourcenschonung. Für die „nachahmenswerte bauliche Weiterentwicklung des Weltkulturerbegebiets Wachau“ wurde das Weingut Alzinger mit der Auszeichung „Vorbildliches Bauen in Niederösterreich“ belohnt.
Wenn die Trauben reifen, beginnt der Weinherbst, die fünfte Jahreszeit Niederösterreichs. Von Spätsommer bis November werden in den acht Weinbaugebieten entlang der 830 Kilometer langen Weinstraße Niederösterreich unzählige Weinfeste gefeiert: Erntedank- und Kellergassenfeste, Weintaufen, Weinverkostungen und Jungweinpräsentationen, Heurigenfeste und Weingartenführungen. Eine wunderbare Gelegenheit, neben Wein und regionalen Spezialitäten auch architektonische Highlights von einst bis heute zu entdecken.
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